Haus P – Ressourcenschonendes Raumwunder

Ein modernes Haus war der Wunsch der Bauherren, die sich darunter einen Quader vorstellten. Dass es dafür auch weit komplexere Lösungen gibt, hat die Architektin Marion Wicher unter Beweis gestellt und auch die zukünftigen Bewohner davon überzeugt. Eingebettet in eine leichte Hanglage, scheint das Gebäude fast zu schweben, auskragende Bauteile reihen sich aneinander und stapeln sich in einer freien Form, wie sie nur in Beton realisierbar ist.

Am Rande einer kleinen Ortsgemeinde in der Obersteiermark liegt das von Marion Wicher geplante Domizil für die zweite Lebenshälfte eines Ehepaars, das zum Wohnen und Arbeiten dient. Das Grundstück ist in einer grünen Wiese gelegen und bildet die nordwestliche Abgrenzung einer locker bebauten Siedlung. Durch die Neigung des Geländes ergibt sich ein schwebend anmutender Baukörper mit vier Armen auf unterschiedlichen Niveaus, der sich – aus einem Sockel hervorkragend – formal als geschlossene Einheit abbildet.

Komplexe Bauform

„Wohnhäuser haben unterschiedliche Zonen von Privatheit“, sagt die Architektin Marion Wicher, und ordnet diese sternförmig an. Ein bereits erprobtes Konzept, das es beim österreichischen Architektur-Wettbewerb „Das beste Haus 2015“ auf das Siegerpodest für die Steiermark schaffte. Mit Haus P findet dieses Konzept nun seine Fortsetzung und wird durch eine vierte Funktion – das Arbeiten – ergänzt. Damit diese klar von der Privatheit der Wohnräume getrennt ist, kragt der Bereich als vierter Arm von der Eingangshalle ausgehend über die Terrasse und bildet gleichzeitig deren Verschattung. Als zentraler Schnittpunkt, verbindet und verteilt das großzügige Eingangsfoyer die einzelnen Zonen.

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Im nördlichen Gebäudearm ist die Garage und eine Gästeeinheit untergebracht, im östlichen finden sich Schlafbereich, Ankleide und Bad mit Anschluss an die Terrasse, nach Westen sind Kochen, Essen und Wohnen in einer offenen Raumsequenz aneinandergereiht. Raumhohe Fenster bilden hier den Übergang zur Terrasse mit Pool, der gleichzeitig als Abgrenzung gilt. Im Untergeschoss wurden die von außen begehbaren Technikräume untergebracht.

Zonierung der Freiräume

Durch die Aneinanderreihung der Wohnfunktionen ergibt der Grundriss drei voneinander abgegrenzte Zonen mit unterschiedlicher Privatheit. „Ich finde es immer sehr spannend, wenn die Architektur auch den Außenraum formt“, erklärt die Architektin, „denn den Innenraum denkt man sowieso, daraus entsteht ja alles“. Im Norden befinden sich Eingang und Zufahrt zur Garage, im Osten der Gästegarten mit Hochbeeten, Obstbäumen und Beerensträuchern, im Süden der den Terrassen zugeordnete, private Garten mit Aufenthaltsbereich und Grillplatz.

Speichermasse Beton

Ressourcenschonend ist das Gebäude als Niedrigenergiehaus ausgeführt. „Bauteilaktivierung war von Anfang an ein Wunsch der Bauherren“, bekräftigt Marion Wicher, „und damit war auch klar, dass Beton der ideale Baustoff sein würde, um diesen Anforderungen nachzukommen. Genauso wie die Umsetzung der freien Form des Baukörpers, die offene Raumfolge, die auskragenden Bauteile und schlanken Strukturen, allein durch Beton elegant umsetzbar sind“. Das gesamte Gebäude wurde in Ortbeton mit Wärmeverbundsystem errichtet und außen mit beigefarbenem Modellierputz versehen, für die Innenräume kam mineralischer Putz zur Anwendung. Beheizt wird das Wohnhaus über bauteilaktivierte Decken und über bauteilaktivierte Wände in den Bädern sowie einer Fußbodenheizung. Die Kühlung im Sommer erfolgt über die bauteilaktivierten Decken und Wände. Die Energie wird über eine Erdwärme-Tiefenbohrung mittels Wärmepumpe gewonnen.

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Perfektes Raumklima

„Ein wesentliches Thema im Haus P war die passive Kühlung der Wohnräume“, erläutert Haustechnik-Planer Martin Schober. „Und das geschieht idealerweise über die Decke. Denn wer mag schon einen kalten Fußboden in den Innenräumen? Ausgerechnet im Sommer, wenn man gerne barfuß geht, wird dies von den meisten als unangenehm empfunden. Aber auch für Kinder, die am Boden spielen, ist ein gekühlter Untergrund wirklich nicht ideal. Ähnlich verhält es sich im Winter: Ist der Fußboden durch die Heizung zu warm, erscheint dies gesundheitlich ungünstig und bei Parkettböden ist die Gewährleistung ab einer bestimmten Oberflächentemperatur nicht mehr gegeben“. Möglichst viele Flächen im Sommer zu kühlen und im Winter zu heizen und damit ein behagliches Raumklima zu schaffen war das Ziel des Technikers. „Das bedeutet zwar anfangs einen Mehraufwand, der sich allerdings durch den minimalen Energieaufwand für das Betreiben der Wärmepumpe und die folglich niedrigen Energiekosten relativ rasch kompensiert“.

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Projektdaten:

Bauherr: Privat
Architektur: Marion Wicher, yes-wicher.com, Graz
Planung: Marion Wicher
Gartenplanung: Haanl Gartengestaltung, Neusiedl bei Güssing
Statik: DI Gerhard Zeiler, Leoben
HKLS: Landring Weiz, Weiz
Baufirma/Ortbeton: Teerag Asdag
Fertigstellung: 2015
Grundstücksfläche: 3.780 m2
Nutzfläche Wohnhaus: 300 m2

 

Fotograf: Maximilian Haidacher