Graz: Sichtbeton-Kunst am Bau

Seit fast fünf Jahrzehnten gab es seitens der traditionsreichen Kunstuniversität Graz (KUG) die Forderung nach geeigneten Ausbildungs- und Aufführungsmöglichkeiten für ihre Studenten. Bereits seit 2009 verfügt die Uni nun mit dem Haus für Musik und Musiktheater, kurz MUMUTH, über eine der modernsten Bühnen Europas.

Drei Aufführungsräume stehen dort zur Verfügung, die für Unterricht und Proben genutzt werden aber auch als Opern- und Konzertsaal sowie für künstlerische und wissenschaftliche Forschung. Der größte Veranstaltungsraum ist ein multifunktionaler Raum mit bis zu 450 Sitzplätzen. Die Ausstattung ist sowohl im akustischen Bereich wie auch auf dem Gebiet der Bühnentechnik absolut state-of-the-art.

Architektonisch herausragendes Gebäude

Doch auch in architektonischer Hinsicht spiegelt das MUMUTH den musischen Anspruch der Universität wieder. Entsprechend bezeichnete der holländische Architekt Ben van Berkel das Objekt bei seiner Eröffnung als „eine klassische Beziehung zwischen Musik und Architektur – klassisch, aber mit Schwung“. Und auch KUG-Rektor Georg Schulz zeigt sich angetan: „Mit diesem architektonisch herausragenden Gebäude bieten wir unseren Studierenden einen Raum, der sicher weiter zur Verbesserung ihrer künstlerischen Ausbildung beiträgt.“

Innovative Formensprache

Und tatsächlich kann man seine Formensprache als wahrlich experimentell und innovativ bezeichnen. Bereits von der Straße aus vermittelt der dreistöckige Baukörper ein außergewöhnliches Bild. Die Glasfassade ist außen mit einem feinmaschigen Edelstahlnetz überzogen. Tagsüber dient dieses als Sonnenschutz. Bei Dunkelheit kann es durch in das Gewebe integrierte LED-Lichtbalken für eine Illumination in verschiedenen Farben genutzt werden.

„Twist“: atemberaubende Stiegenkonstruktion

Im Inneren ist das Gebäude in drei Bereiche gegliedert. Im hinteren Bereich befindet sich die Theaterbox mit Zuschauersaal und Bühne sowie der Bürotrakt inklusive Garderoben, Magazinen, Depots und Werkstätten. Diese Bereiche bestehen aus Stahlbetonwänden und Stahlverbunddecken. Der vordere dreistöckige Eingangsbereich wird dominiert von einer atemberaubenden Stiegenkonstruktion: eine gegeneinander verdrehte Spirale aus Sichtbeton, die als „Twist“ bezeichnet wird. Als Verlängerung der Theaterwände ins Obergeschoss erzielt die frei geformte Treppe eine enorme räumliche Wirkung. „Durch das Verdrehen der Wände entstehen fließende Übergänge zu den Decken des dritten Obergeschosses“, erklärt DI Philipp Jereb, Projektleiter seitens der Bundesimmobiliengesellschaft mbH, die als Bauherr des MUMUTH fungierte.

Optisch wie statisch von Bedeutung

Der futuristische Twist ist zweifellos der optische Blickfang des Foyers, doch er hat gleichzeitig eine statische Bedeutung. Der Baustoff Beton wurde bei der Konstruktion in erster Linie aus gestalterischen Gründen verwendet. Die Lasten werden von der Stahlverbundkonstruktion im Inneren des Twists getragen. Dieses Stahlfachwerk aus Hohlprofilen wurde zunächst im Werk zusammengebaut. Anschließend wurde es in transportable Einheiten zerschnitten und auf der Baustelle wieder montiert und fest verschweißt. „Da innerhalb der Stahlkonstruktion Beton statisch nicht notwendig ist, sind die Hohlräume mit Styroporkörpern aufgefüllt. Dies erfüllt zudem den Zweck der Gewichtseinsparung“, erklärt Jereb. Schließlich wurde eine dünne Bewehrung für die Betonschalen angebracht

Dreidimensionales Puzzlespiel

Die Schalungskonstruktion an sich gleicht einem dreidimensionalen Puzzlespiel. Aus Hartschaum-Würfeln mit ca. 2 Metern Kantenlänge wurde mit Hilfe computergestützter Maschinen die Form des Twists gefräst. Um eine angemessen hochwertige Sichtbeton-Oberfläche zu erhalten wurden die Innenseiten mit Epoxidharz beschichtet. Die einzelnen Elemente wurden dann um das Stahlgerüst herum wieder so zusammengesetzt, dass eine durchgängige Schalung entstand.

Besonderer Beton verwendet

Für den Twist konnte kein herkömmlicher Ortbeton verwendet werden. „Aufgrund der komplizierten Geometrie und geringer Toleranzen wäre die konventionelle Verdichtung durch Rütteln nicht möglich gewesen. Zum Einsatz kam darum der so genannte Self-Compending Concrete (SCC)“, so Jereb. Dabei handelt es sich um einen durch Zusatzmittel besonders flüssigen Beton, welcher sich nach dem Einbringen selbst verdichtet.

Preisgekrönte Architektur

Jereb hört man an, dass mit dem Ergebnis des Projekts sehr zufrieden ist, „schließlich baut man so etwas nicht alle Tage. Zufriedenheit ist auch von Seiten der Universität zu vernehmen „Als Kunstuniversität ist es unsere Aufgabe, die Entwicklung der Künste zu fördern. In diesem Sinne sind wir sicher, dass die einzigartige Verbindung von Architektur und Musik sich auch auf unser Schaffen inspirierend auswirkt“, so Rektor Schulz. Die außergewöhnliche Architektur des Gebäudes sorgt auch weitergehend für Aufmerksamkeit. Im Jahr 2010 erhielt das MUMUTH den Fischer-von-Erlach-Preis vom Verein Grazer Altstadt sowie den Urban Land Institute Award. Das Projekt war außerdem bereits als österreichischer Beitrag bei der Biennale in Venedig ausgestellt.