Museum Tirol Panorama – Beton in seinem Element: Tiroler Wahrzeichen in neuer Heimstätte

Schon von weitem ist der Museumsneubau auf dem Bergisel gut sichtbar. In klarer Architekturprache gehalten, überzeugt der Baukörper auf dem Innsbrucker Hausberg durch angenehme Zurückhaltung. Der vielseitige Baustoff Beton ermöglichte aber nicht nur die faszinierende Anpassung an die Natur, er dient auch dem perfekten Schutz einer besonderen nationalen Kostbarkeit! Durch die innovative Bauteilaktivierung hat das berühmte „Riesenrundgemälde“ eine sichere Heimat gefunden – das Museum Tirol Panorama.

Für alle Österreicher hat dieser Berg eine ganz besondere Bedeutung: Im frühen 19. Jahrhundert wurde Andreas Hofer am Bergisel zum Nationalhelden. Hier führte Hofer Bauern und Bürger Tirols gemeinsam in einen eigentlich aussichtslosen Kampf gegen Napoleons Truppen. Drei siegreiche Schlachten schlugen die Tiroler am Bergisel, die Andreas Hofer endgültig zum Mythos machten. Für die Tiroler, die bis heute den 13. August als „Tag der Befreiung“ feiern, ist der Bergisel allemal ein spezielles Wahrzeichen. Jetzt beheimatet der geschichtsträchtige Berg wieder ein Kunstwerk, das nach langer Zeit heimgefunden hat.

1896 malte Zemo Diemer sein legendäres „Riesenrundgemälde“. Auf mehr als tausend Quadratmetern zeigt es in unglaublicher Detailfülle die dritte Bergisel-Schlacht. Schon damals erhielt das Kunstwerk ein eigens geschaffenes Gebäude, bevor es nach London gebracht wurde und später nach Wien. Erst 2008 kam es zurück nach Tirol. Jetzt ist es endlich dauerhaft in einem angemessenen Museum untergebracht: im Tirol Panorama, in direkter Nähe zur weltberühmten Skisprungschanze und zum Andreas-Hofer-Denkmal. Lange wurde in Tirol darüber diskutiert, ob ein Umzug des Gemäldes überhaupt sinnvoll sei, doch heute sind die meisten Kritiker überzeugt vom Tirol Panorama.

Ästhetik und Funktionalität durch Sichtbeton

Die Voraussetzungen beim Museumsneubau waren dementsprechend streng: Das Gebäude sollte sich der Umgebung anpassen, was durch eine zurückhaltende Architektur vorzüglich gelang. Das Museum liegt in einer natürlichen Mulde, das kommt der flachen Anmutung entgegen. Um dem Riesenrundgemälde langfristig Schutz zu bieten, musste die Ausstellungsfläche bestens klimatisiert sein. Es wurde also ein Baustoff gesucht, der von der Ästhetik über die Energiebilanz bis zur Klimatisierung beste Voraussetzungen bietet.

Optimale Klimatisierung durch den Energiespeicher Beton

Die Lösung lag sofort auf der Hand, wie der leitende Architekt Philipp Stoll vom Büro „stoll.wagner architekten“ betont: „In Bezug auf die Wahrnehmbarkeit, die Haptik und Purheit des Materials war klar, dass Beton der adäquate Baustoff ist.“ Gerade wegen der „Formgebung als Rundbau“, so Diplomingenieur Stoll weiter, habe es zu Beton keine Alternative gegeben – auch weil es nur diesem Baustoff gelingt, „gleichzeitig wuchtig und dezent“ zu sein.

Genutzt wurde beim Neubau ein vorhandener Luftschutzbunker, der tief in den Felsen gegraben war. Das unterstreicht einerseits das Dezente, andererseits kommt so eine natürliche Kühle ins Gebäude, die von oben über Wärmetaschen genutzt wird. Dabei spielt auch die Eigenschaft von Beton eine große Rolle, Energie nicht nur zu speichern, sondern auch gut zu leiten. Im Zentrum des Neubaus steht ein Betonzylinder, der mit seiner Höhe von rund fünfzehn Metern als durchaus mächtig bezeichnet werden darf – auch wenn er in der Mulde liegt. „Schon die ersten Entwurfsgedanken des Projekts waren von diesem Zylinder geprägt,“ sagt Stoll, „der war als Hülle für das Riesenrundgemälde gefordert.“ Das Volumen wird erst auf den zweiten Blick sichtbar, denn, so Architekt Stoll: „Eine minimalistische, flach gestreckte gläserne Box umhüllt große Teile des Volumens.“ Der Zylinder fungiert als perfekter Schutzraum für das so wertvolle Kunstwerk.

Zylinderwand mit Bauteilaktivierung

Stoll entschied sich gemeinsam mit seinem haustechnischen Beraterteam für die zukunftsweisende Bauteilaktivierung. Dabei wird in Rohre Wasser durch den Beton geleitet, der Wärme oder Kühle großflächig und gleichmäßig an die Umgebung abgibt. Im Industriebau und auch beim normalen Hausbau wird diese innovative Methode immer beliebter, da so im Sommer wie im Winter ein gleichmäßiges Wohlfühlklima erzeugt wird – und etwa in Verbindung mit Erdwärme oder einer Solaranlage viel Energie gespart werden kann. Bei Museumsbauten galt die Bauteilaktivierung noch als Neuland, Architekt und Berater waren aber schnell davon überzeugt: „Ein großer Vorteil der Bauteilaktivierung ist, dass thermisch bedingte Staubaufwirbelungen im sensiblen Ausstellungsbereich unterbunden werden“, erklärt Philipp Stoll. Zum Teil kann dafür die Erdwärme genutzt werden, zusätzliche Haustechnik hilft bei geringem Aufwand mit, dass das historische Kunstwerk das ganze Jahr über praktisch dieselben räumlichen Bedingungen hat. Durch die thermische Bauteilaktivierung und die unterirdischen Räume erzielt der Neubau einen Niedrigenergiestatus, was bei Museen noch vor kurzem als völlig undenkbar galt.

Angekommen: Museum ist beliebt!

Die Innsbrucker und ihre Gäste waren sehr gespannt auf ihr neues Museum. Allein der respektvolle Umgang mit dem benachbarten Kaiserjägermuseum überzeugt: Die beiden Museen sind durch einen unterirdischen Gang verbunden, zwischen den Gebäuden befindet sich ein herrlicher Aussichtsplatz, der freie Sicht auf das schöne Inntal bietet. Bei der Eröffnung konnten alle erkennen, dass das Riesenrundgemälde einen idealen Platz bekommen hat. Allein zur Eröffnung kamen 6.000 Besucher! Angezogen von der faszinierenden Ästhetik des puristischen Sichtbetons genießen die Menschen die angenehme Atmosphäre, in der das Kunstwerk seine Heimat gefunden hat.

Foto: Alexander Haiden